„Vegan zu leben ist gut für die Tiere, die Umwelt und die eigene Gesundheit“, fasste ich an jenem Tag am Infostand meine Argumente zusammen, die ich bereits seit einer halben Stunde mit einer Dame ausgetauscht hatte, die sichtlich Interesse gezeigt hatte. Ich hatte den Eindruck, dass ich ein wenig zur Bewusstseinsbildung beitragen konnte und setzte bereits an, ihr vorzugschlagen, ein paar Rezepthefte mitzunehmen, als ich bemerkte, dass sich ihr Blick verfinsterte.
„Ich lasse mich doch nicht von Ihnen missionieren!“, schmiss sie mir so unvermittelt entgegen, wie ein plötzlicher Wolkenbruch einen strahlenden Sommertag zerreißt.
„Was meinen Sie mit missionieren?“, hakte ich nach, als ich es endlich geschafft hatte, meine Irritation über den, für mich, so unerwarteten Sinneswandel, zu überwinden.
„Sie wollen mir doch jetzt Ihre Lebensweise einreden“, gab sie zurück, „Aber Sie können sich sicher sein, ich lasse mir nichts einreden, mich nicht überreden, denn ich kann selber denken. Überhaupt, ihr in eurer Sekte, die ständig normale Menschen einer Gehirnwäsche unterziehen wollen. Lassen Sie mich doch in Ruhe.“ Sprachs und stakste davon. Ich hatte wohl noch einiges zu erwidern gehabt, aber sie gab mir keine Gelegenheit dazu. Deshalb nutzte ich diesen Moment, um mir ihre Vorwürfe durch den Kopf gehen zu lassen.
„Missionieren heißt doch auf arrogante, aufdringliche Weise jemanden die Glaubensinhalte einer Religionsgemeinschaft aufschwatzen zu wollen“, ging es mir durch den Kopf, „Es geht also um Inhalte, die jeder realen Grundlage entbehren, die Glauben einfordern für etwas, was reines Menschenwerk ist, zu welchem Zweck auch immer, zumeist um ihn unter eine obskure, übernatürliche Macht zu zwingen, die ihm vorschreibt, was er zu tun oder zu lassen hat. Das heißt diese Art der Missionierung dient dazu, den Menschen zu entmündigen. Nun, das würde ich mir auch nicht gefallen lassen wollen. Und hoffentlich niemand, der bei klarem Verstand und erwachsen ist, doch die meisten Menschen sind wie kleine Kinder auf der Suche nach jemandem, der ihnen sagt, was sie zu tun oder zu lassen haben. Komischerweise haben mit dieser Art der Missionierung viele Menschen kein Problem. Man nennt es auch Tradition oder Kultur. Nun stellt sich aber die Frage, ob wir missionieren, wenn wir den Menschen die Vorteile einer veganen Lebensweise erklären? Religionsgemeinschaften verlangen restlose Unterwerfung unter unbewiesene Doktrinen. Demgegenüber haben die Veganer*innen die Fakten auf ihrer Seite. Es ist unbestritten und unbestreitbar, dass eine vegane Lebensweise den Tieren, der Umwelt und der Gesundheit zu Gute kommt. Sie nimmt dem Menschen nicht die Freiheit, sondern schenkt sie ihm, die Freiheit so leidfrei wie möglich mit den Mitgeschöpfen, mit der Umwelt und sich selbst umzugehen. Sie bereichert und befördert das Leben. Deshalb ist die Nachricht darüber keine Missionierung, sondern ein Appell, ein Appell das Leben lebendig zu leben und leben zu lassen. Veganer*innen missionieren also nicht, sondern sie appellieren an den gesunden Menschenverstand. Doch warum empfinden es die Menschen dann als Missionierung? Auch das ist eigentlich simpel zu beantworten. Auf der einen Seite wird ihnen durch die vegane Lebensweise vor Augen geführt, dass ihre Lebensweise dazu beiträgt milliardenfaches Leid zu verursachen. Leid verursachen, das macht allerdings kein guter Mensch. Sie wollen aber gute Menschen sein, aber dennoch alles so lassen wie es ist. Dadurch entsteht eine kognitive Dissonanz, die es zu überbrücken gilt. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie nehmen den Appell an und wenden sich nun auch einer veganen Lebensweise zu oder sie machen diejenige schlecht, die ihnen diese kognitive Dissonanz beschert hat. Sie haben den Eindruck, als würde man ihnen sagen, sie seien schlechte Menschen. Deshalb auch der Vorwurf der Missionierung. Doch die vegane Gemeinschaft hat es nicht notwendig zu missionieren, sondern sie appelliert, trotz allem, an die Einsicht, den gesunden Menschenverstand oder einfach daran, die Beispiele von Menschen wirken zu lassen, die diesen Weg vorangegangen sind. Würde mir das nächste Mal jemand vorwerfen, ich würde missionieren, so könnte ich getrost entgegnen, ich missioniere nicht, ich appelliere.“
„Darf ich mir eines von den Rezeptheften nehmen?“, riss mich die Stimme eines Herrn aus meinen Gedanken.
„Ja, sicher, sehr gerne. Sie können gerne alle mitnehmen“, antwortete ich erfreut.
„Wissen Sie, ich möchte meine Frau überraschen“, erklärte er mir, „Ich habe es letztens ausprobiert, das mit dem vegan essen und es war super lecker und ich habe mich danach nicht müde gefühlt, wie sonst, sondern voller Energie.“
Auch das kann es geben und schenkte mir ein wenig Zuversicht zurück.
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