„Geht’s was hackeln!“ oder „Die haben ihr Lebtag noch keinen Tag gearbeitet!“, solche und ähnliche Sprüche höre ich bei jeder Demo oder Kundgebung. Abgesehen davon, dass niemand von jenen, die sich aufplustern, vielleicht lässig im Kaffeehaus sitzen oder einen netten Einkaufs-Tag unternehmen, weiß, was wer von uns macht, ist es scheinbar eine ausgemachte Sache, dass man dieser Aufforderung nicht nachkommen muss, wenn man Kaffee trinkt oder einkauft. Sie wissen nämlich von sich selbst, dass sie sich bei diesen Tätigkeiten von einer anstrengenden Arbeitswoche erholen und vor allem, die Wirtschaft unterstützen. Arbeiten und konsumieren sind die Grundpfeiler unseres kapitalistischen Systems. Wer zuwiderhandelt, bei einer Demo gar die armen, verschüchterten Konsument*innen davon abhält ihrem wohlverdienten Ausgabewahn zu frönen, kann ja selbst nichts hackeln.
Letztendlich ist es völlig egal, was jene Menschen, die sich bei friedlichen Protesten gegen, welches Unrecht auch immer, stark machen, beruflich machen, sie zerstören mit ihrem Tun selbst die beste Mainstreamaktivität, der sie abseits des Aktivismus, nachgehen. Dennoch kursiert unbeirrt das Gerücht, dass es sich bei diesen Menschen, wenn nicht sogar um Berufsdemonstrierer*innen handelt, die für ihre Untriebigkeiten bezahlt werden, so doch zumindest um Arbeitslose oder faule Student*innen, denen fad ist, aber die gleichzeitig zu faul sind einer anständigen Tätigkeit nachzugehen. Nun stellt sich natürlich die Frage, was denn eine anständige Tätigkeit ist? Darunter wird allgemein, im bürgerlichen Verständnis eine Art des Zeitvertreibs gemeint, bei dem man sich dazu verpflichtet, eine gewisse Zeitlang mit einer Beschäftigung zu verbringen, die von jemand anderem vorgegeben wird und wofür man ein Entgelt erhält. Das sind die arbeitenden Menschen. Eine Grauzone bilden Selbständige oder Künstler*innen. Wobei bei zweiteren auch nicht ganz sicher ist, ob man ihre Tätigkeit wirklich als Arbeit bezeichnen kann, denn manchmal sind sie doch sehr subversiv und greifen das so gut funktionierende System an. Was letztendlich auch egal ist, weil eh keiner auf sie hört, wenn man die Botschaft überhaupt versteht. Kurz gesagt, alles ist gute Arbeit, die einen zu einem Teil des Systems macht. Blöd nur, dass es genau dieses System ist, das gerade dabei ist, unseren Planeten zu zerstören und damit unser aller Lebensgrundlage. So ist es gute und ehrenwerte Arbeit, wenn ich hochsubventionierte Lebensmittel nach Afrika verbringe und damit die heimische Wirtschaft ruiniere. Ebenso ehrenwert ist es, das Grundwasser mit Nitraten zu verseuchen, denn die Landwirt*innen, die das machen, versorgen den heimischen Markt mit dem Fleisch von „glücklichen“ Tieren. Ganz und gar nicht ehrenwert ist es jedoch, sich über Monate an Bäume zu ketten, z.B. an uralte Bäume in einem der letzten Urwälder Europas, in Polen, um zu verhindern, dass diese vernichtet werden. Aktivist*innen, die das durchmachen, auch die entsprechenden Repressionen von Seiten der Exekutive, bis die EU endlich ihr Veto einlegte und damit die Bäume gerettet waren, gehen im Auge der bürgerlich, konservativen, traditionalistischen Durchschnittsmenschen, keiner anständigen Tätigkeit nach. Ebenso wenig wie die Seasheperd-Aktivist*innen, die sich gegen illegalen Fischfang und Piraterie einsetzen oder Untergrundkämpfer*innen, die sich für die Unversehrtheit der indigenen Bevölkerung stark machen, indem sie den Regenwald als ihre Heimat vor der Zerstörung retten. Kurz, die meisten anständigen Tätigkeiten tragen zur Zerstörung des Planeten bei. Doch was diese Aktivist*innen, sei es in den Urwäldern Polens oder auf den Weltmeeren oder in den Regenwäldern Südamerikas leisten, ist nicht mehr und nicht weniger, als die Sicherung unseres Überlebens und dem unserer Kinder. Jede und jeder Einzelne von ihnen hat in dieser Zeit mehr geleistet, als all die braven Rädchen im Moloch neoliberalen Wirtschaftstreibens. So viele Tätigkeiten, die unsere hochtechnisierte, turbozivilisierte, entmenschlichte Gesellschaft erfordert, sind entweder völlig unnötig oder zerstörend, denn zu ihrem Selbstverständnis gehört es, ohne schlechtes Gewissen von der Abholzung der Regenwälder, der Überfischung der Meere oder der Vernichtung alter Wälder auch noch zu profitieren, in Form von Billigstfleisch und Biodiesel. Was da zerstört wird, ist jedoch irreversibel verloren. Aber vor lauter Hackeln und Einkaufen haben die meisten keine Zeit, ihr eigenes Tun zu hinterfragen und wollen stattdessen alle anderen in ihre Weltsicht zwingen. Vielleicht sollte man statt lauter Hackeln auch ab und an ein bisschen die Welt retten.
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