Meine Straße – Meine Regeln

Wilhelm Wurst war ein guter Autofahrer. Zumindest hielt er sich dafür. Seit er ein kleiner Junge war, träumte er von großen, ps-starken Autos. Er arbeitete hart, um sich seinen Traumwagen leisten zu können, dazu ein schmuckes Häuschen und ein nettes Frauchen. Doch das Wichtigste war und blieb das Auto. Das Haus war dazu da, dass man am Abend die Füße hochlegen und sich bedienen lassen konnte, die Garage, um sein geliebtes Auto darin abstellen zu können und das Frauchen als Aufputz auf dem Beifahrersitz. „Ich bin ein glücklicher Mann“, meinte er, wenn er mit stolzgeschwellter Brust, die das halboffene Hemd nur allzu offen zeigte, einen Raum betrat, in dem sich mindestens eine Person befand. Lässig, männlich, ein Geschenk für die Frauenwelt, davon war er überzeugt.

Wilhelm Wurst fuhr gerne Auto und er fuhr schnell. Immer hart an der Grenze des Erlaubten, doch vor allem war er überzeugt davon, dass er machen konnte, was er wollte. Alles, was sich unrechtmäßig auf der Straße befand, wurde unerbittlich niedergemäht. Z.B. diese dummen Viecher. Es war schließlich eine Straße und eine Straße war für Autos. Die sollten gefälligst wegbleiben, im Wald oder wo sie sonst hingehörten. Da war ja immer noch so verdammt viel Grün. Seines Erachtens nach, konnte es gar nicht genug Straßen geben. Er war nur froh, dass die Parteien, die am Ruder waren, das auch so sahen. Eines Tages fuhr er mit seiner Lebensgefährtin über eine Umfahrungsstraße, und was das für eine Straße war. Idyllisch schlängelte sie sich durch die Landschaft, doch plötzlich fiel ihm ein Schild auf, das ein Mensch am Straßenrand hielt, ihm quasi direkt ins Gesicht. „Vorsicht Rehe. Bitte langsam fahren“, stand da zu lesen. „Einen Teufel werde ich“, dachte er, und stieg erst recht aufs Gas. Etwa 100 Meter weiter tappste plötzlich tatsächlich ein Reh auf die Fahrbahn. „Vorsicht, brems!“, schrie seine Gefährtin noch, doch einerseits war es bereits zu spät, denn er war einfach viel zu schnell unterwegs und andererseits sah er nicht ein, warum er wegen so einem Viech bremsen sollte. Im nächsten Moment flog es über seine Kühlerhaube, während seine Mitfahrerin noch das Baby, das offenbar zu dem Reh gehörte, in der Wiese im Gras stehen sah. „Halt sofort an!“, schrie sie ihn unvermittelt an. „Warum?“, fragte er, ohne den leisesten Anflug von schlechtem Gewissen, „Das Auto hat doch nichts.“ „Aber das Reh ist tot. Und da ist jetzt ein Kitz, das seine Mutter verloren hat“, gab sie zurück, „Hast Du denn überhaupt kein Herz?“ „Jetzt werd mal nicht gleich hysterisch. Ist ja nur ein Viech. Irgendwer wird sich schon darum kümmern“, meinte er achselzuckend. „Halt jetzt sofort an!“, gab sie nur zurück, in einem Ton, von dem sogar er merkte, dass es keinen Sinn hatte, sich zu widersetzen. Endlich stieg sie wortlos aus und ging zu der Stelle zurück, an dem das tote Tier lag, während das Kleine immer noch verängstigt im Gras stand. „Was soll das jetzt?“, hörte sie ihn sagen, während er ihr hinterherlief. „Du hast gerade eine Familie zerstört!“, sagte sie bloß, „Wenn ich das früher gewusst hätte, dass Du so gar kein Herz hast, ich hätte mich gar nicht erst auf Dich eingelassen. Aber jetzt fahr, ich will Dich nie wiedersehen.“ „Aber mein Hase“, meinte er, „Ich bin doch so ein toller Mann. So einen wie mich, wirst Du nie wieder finden.“ „Will ich auch nicht“, gab sie zurück. Dann rief sie die Polizei an, um den Vorfall zu melden. Das Kitz wurde auf die Wildtierstation gebracht, wo man dafür sorgte, dass es gut versorgt wurde, um es so rasch wie möglich wieder in die Freiheit zu entlassen.

Ja, es gibt sie, diese Möchtegern-Machos, aber es gibt auch die anderen, die ein Schild oder ein anderer Hinweis dazu bringt, achtsam zu fahren, auch wenn es nicht vorgeschrieben ist. So ist es möglich viele Leben zu retten, denn wir dürfen nie vergessen, dass wir mit unseren Straßen in das Territorium der Tiere eindringen und nicht umgekehrt. Dazu kommt noch, dass sie wegen der Jäger die Dämmerung wählen, um sich aus dem sicheren Dickicht herauszuwagen. Wäre die Jagd nicht, wäre es viel einfacher, für sie und uns. Aber nachdem die Hobbytöterei so schnell nicht abgeschafft werden wird, bleibt nichts, als in der Dämmerung langsam und vorausschauend zu fahren.

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