Tiere befreien – Aktivist*innen entkriminalisieren

Vier junge, ambitionierte Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, nicht nur das Leid, das an jedem Ort zu jeder Zeit unseren nicht-menschlichen Mitgeschöpfen angetan wird, nicht zu ignorieren, sondern es darüber hinaus zu dokumentieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Was sie enthüllten, war so erschreckend wie ernüchternd zugleich. Tatort war die Excelsior Hog Farm in Abbotsford BC, Kanada, aber es hätte jeder x-beliebige andere Schweinestall in der sog. Nutztierindustrie sein können, wobei Kanada grundsätzlich als ziemlich fortgeschritten gilt. Was diese Aufnahmen zeigten war nicht nur, dass diese Tiere, gemartert in Kastenständen, wenn sie Junge hatten und dann weiters auf Vollspaltenböden, mit den bekannten Blessuren, Schnittwunden und Wucherungen. Daran haben wir uns in Österreich schon beinahe gewöhnt, nach über drei Jahren Kampagnenarbeit des VGT gegen Vollspaltenböden. Darüber hinaus sah man Tiere, die nicht einmal mehr gehen, nicht aufstehen konnten, so dass sie langsam starben, während die noch lebenden, bewegungsfähigen Artgenoss*innen die bereits toten, die einfach zwischen ihnen liegengelassen wurden, aufaßen. Sie verrotteten im Stall. Manche wurden in die Mülleimer geworfen. All das ist für diejenigen, die sich mit der Materie bereits auseinandergesetzt haben, nichts Neues. Trotzdem geht es noch schlimmer.

Nicht nur, dass diese wunderbaren, neugierigen, lebensfrohen Geschöpfe gezwungen sind, ihre sechs Monate Lebenszeit auf einem harten, scharfkantigen Betonboden verbringen zu müssen, ohne je die Sonne, die Wiese oder auch nur einen Grashalm zu sehen, ihre Beine je wirklich benutzen zu können und ein bisschen Leben zu leben, nicht einmal das kleinste bisschen, sie werden darüber hinaus auch noch aufs Gröbste misshandelt. Kranke, vor sich hinsiechende Kreaturen werden mit Schlägen und Elektroschockern traktiert. Als wären ihre Qualen noch nicht ausreichend, als wären ihre Leiden noch nicht schlimm genug, sie werden auch noch gezüchtigt, geschlagen, malträtiert, verletzt, ohne Sinn und Verstand, von Menschen, denen sie anvertraut sind. Anvertrautes Leben, das nichts kennt als Gestank, Enge, Langeweile und Schmerz. Und am Eingang der Excelsior Hog Farm ist ein idyllisches Bild zu sehen, auf dem ein Kind ein Ferkel hält, während man dahinter eine weitläufige Wiese erkennen kann. Szene aus einem Märchen. Ebenso lebensfremd für diese Tiere und ihren tatsächlichen Lebensbedingungen, während wenige Meter weiter der reinste Horror herrscht. All das geschah und geschieht hinter verschlossenen Stalltüren. Es sollte tunlichst auch so bleiben, bis diese Aktivist*innen auf die Idee kamen, sich die Gegebenheiten in diesem Stall anzusehen.

Vier Aktivist*innen, die sich Klarheit darüber verschaffen wollten, dass mitten unter uns diesen Geschöpfen maßloses Leid widerfährt, das in seinen Ausmaßen schon als kriminelle Tierquälerei angesehen werden kann. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit über solche Missstände informiert wird. Natürlich kann man nicht zu den Betreiber*innen der Tierausnutzungsanstalt einfach hingehen und fragen: „Dürfen wir uns einmal ihren Stall ansehen, die Missstände dokumentieren und Kameras aufhängen?“ Ja, man kann, aber das hätte höchstens zur Folge, dass die Aktivist*innen des Ortes verwiesen und die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden. Wendet man sich direkt an die Behörden, wird man auch höchstens damit abgespeist, dass da sowieso kontrolliert wird und sie bräuchten sich da gar nicht einzumischen. „Oder habt ihr Beweise für Eure Behauptungen?“, nein, natürlich nicht, in dem Stadium hat man Gerüchte gehört, ein ungutes Gefühl, wohl auch echte Geschichten, von Menschen, die diese Qualbetriebe von eigenem Augenschein kennen, aber nein, Beweise hat man keine. Deshalb kann die Behörde auch nicht tätig werden, weil da könnte ja jeder kommen und irgendetwas behaupten. Da sei anzumerken, dass die Polizei in Österreich jeder Anzeige nachgehen muss, auch wenn es sich um eine bloße Vermutung handelt, außer es geht um den Tierrechtsbereich. Da wandern die Anzeigen direkt in die große Rundablage. Und ohne handfeste Beweise geht sowieso gar nichts. Doch wie soll man Beweise erbringen, ohne straffällig zu werden? Gar nicht.

Als Bürger*in hat man an dieser Stelle zwei Möglichkeiten, entweder man vergisst es wieder und hofft darauf, dass der Betrieb irgendwann in naher, wahrscheinlich eher in ferner Zukunft kontrolliert wird, was letztendlich auch keinen wirklichen Sinn hat, denn diese Kontrollen werden angekündigt, früh genug, dass die Betreiber*innen der Tiergefängnisse genug Zeit haben, aufzuräumen und die gröbsten Missstände zu beheben. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine bloße Momentaufnahme handelt, denn kein Tierausbeuter wird in Anwesenheit eines Kontrolleurs die Tiere misshandeln. Die zweite Möglichkeit ist es, sich rechtswidrig Beweismaterial zu verschaffen. Genau das haben die vier Aktivist*innen getan. Ja, sie sind in den Stall eingebrochen, weil sie keine andere Wahl hatten, den Tieren zu helfen. Ohne diese Aktivist*innen wären sie völlig allein geblieben, abgegrenzt vom Rest der Welt, sie und viele weitere Generationen, die der Willkür und dem Sadismus der Betreiber*innen ausgesetzt sind und werden. Doch kann man es tatsächlich verantworten, selbst in Freiheit leben zu dürfen, während man weiß, dass nebenan andere um alles gebracht werden, was ein Leben ausmacht? Nun, man muss leider sagen, die meisten können. „Wird schon nicht so schlimm sein“, wird da gesagt, oder: „Ich habe eigene Probleme, ich kann mich doch nicht noch um Schweine kümmern.“ Zum Glück sagen das nicht alle. Manche brechen ein, weil sie keine andere Wahl haben, um das Unrecht aufzudecken. Genau dies geschah, natürlich in der Hoffnung, dass die Missstände dann beseitigt werden würden. Was dann tatsächlich geschah, ist an Perfidität kaum zu überbieten – ist aber auch schon gang und gäbe auf der ganzen Welt.

Nicht die Tierausbeuter und -quäler wurden zur Rechenschaft gezogen, sondern die Aktivist*innen, die diese grauenvollen Haftbedingungen aufgedeckt haben. Alle vier wurden vor Gericht gezerrt, zwei verurteilt. Das Strafausmaß steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, aber diese Delikte werden mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht.

Zusammengefasst kann gesagt werden: Wer ein Unrecht aufdeckt wird bestraft. Wer das Unrecht begeht darf froh und fröhlich damit fortfahren.

Wenn ihr nicht wollt, dass Aktivismus kriminalisiert wird, dann unterstützt diese großartigen Menschen in Kanada. Mehr auf www.excelsior4.org. Und wer jetzt sagt, Kanada ist weit weg, in Österreich passiert so etwas eh nicht, dem sei einerseits gesagt, durch die technischen Errungenschaften ist nichts mehr weit weg. Solidarität ist allumfassend. Und andererseits ist genau so etwas in Österreich auch passiert, beim sog. Tierschutzprozess, bei dem Aktivist*innen ebenso inhaftiert und mit hohen Gefängnisstrafen bedroht wurden, obwohl sie noch nicht einmal eine Straftat begangen hatten. Deshalb ist es wichtig, diese Menschen, die die Gefahren nicht scheuen, zu unterstützen, damit das Tierleid irgendwann endlich ein Ende hat.

Ein Gedanke zu „Tiere befreien – Aktivist*innen entkriminalisieren

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s