Auf der anderen Seite – und das macht die Sache noch einmal ein wenig komplizierter – sind die Vereine und NGOs erwachsen geworden. In der ersten Phase, dem Aufkommen, zu der Zeit, als sie klein und unbedeutend waren, agierten sie auch wie kleine Kinder, die unbedingt etwas haben wollen und blindlings um sich schlagen, sich auf den Boden werfen. Man kennt das. So wurden diese Bewegungen eher belächelt und ins Abseits geschoben. Dann kam die Zeit der Adoleszenz, die Zeit der Brandanschläge und anderer Gewalttaten. Auch das war relativ leicht in den Griff zu bekommen, denn gegen Menschen, die anderen Schaden zufügen kann sehr leicht eingeschritten werden. Vor allem juristisch. Mittlerweile ist das Erwachsenenstadium erreicht und die diversen Aktivitäten sind durchdacht und vorbereitet. Gutachten, Expertenmeinungen und fundierte Recherchen liegen den Anforderungen zu Grunde und werden dafür genutzt auf entsprechende Gesetzesänderungen hinzuwirken. Aufklärungsarbeit ist mit den entsprechenden Argumenten unterfüttert. Die Aktivistinnen entwickelten sich zu gut informierten, ernst zu nehmenden Gesprächspartnern. Das machte es sehr viel schwerer gegen sie vorzugehen.
Den letzten Ausweg bildete der § 278a, der schwammig genug war, um Menschen ohne jeden Beweis dreieinhalb Monate festzusetzen und sie darüber hinaus in einen 98 Tage dauernden Prozess zu verwickeln. Dabei wurde exemplarisch vor Augen geführt, dass es nur einen Gewinner geben kann, ganz gleich wie der Prozess ausgeht, es gibt nur einen Gewinner: den Staat. Den Staatsbediensteten, vom Justizwachebeamten, über die Mitglieder der SOKO bis hin zu Staatsanwalt und Richter ist es egal wie lange der Prozess dauert, denn sie machen ihre Arbeit und bekommen dafür Geld. Ganz anders die Situation der Aktivist*innen. Dreieinhalb Monate Untersuchungshaft bedeutet für sie, dass sie ihrem Beruf nicht mehr nachgehen und ihre Familie nicht mehr ernähren können. Die Folge ist Verlust des Arbeitsplatzes oder der Kunden, wenn es sich um eine selbständig Arbeitende handelt, bis hin zur Delogierung, weil man die Miete nicht mehr zahlen kann. Drei Mal die Woche nach Wr. Neustadt während des wiederum über Monate gehenden Prozesses pendeln zu müssen, machte es ebenso unmöglich einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Als am Ende des Prozesses, am 98. Tag der Freispruch erfolgte, war es wohl ein Sieg, aber ein Pyrrhussieg. Während dieses monatelangen Kampfes waren Existenzen und Beziehungen in die Brüche gegangen.
Es war der 2. Mai 2011, doch die Ereignisse lassen die Betroffenen bis heute nicht los, und werden sie auch niemals loslassen. Niemals wieder werden sie sich in ihren eigenen vier Wänden sicher fühlen, denn sie mussten erleben, wie zerbrechlich und illusionär diese Sicherheit war. Noch dazu durch Menschen, die von Rechtswegen diese Sicherheit garantieren sollten. Nie mehr wieder wird es möglich sein einem fremden Menschen unbefangen entgegenzutreten, denn wer weiß schon, ob es nicht wieder jemand ist, der sich in das Leben drängt, um zu spionieren, das Vertrauen erschleicht und sich anbiedert, um Ziele zu verfolgen, die im Geheimen liegen. Nie wieder wird es möglich sein den Rechtsstaat als das zu sehen, was er sein sollte: ein Konstrukt die Bürger*innen vor dem wahren Verbrechen zu schützen.
Mittlerweile sind einige Jahre vergangen. Freisprüche waren damals ergangen. Bis es so weit war, mussten viele finanzielle Mittel investiert werden, vor allem in Rechtsanwält*innen. Nun ist es normalerweise so, dass der Verlierer für die Prozesskosten aufzukommen hat, was auch die Kosten des Kontrahent*innen miteinschließt. Das ist das normale Rechtsempfinden. Denn wer einen Streit vom Zaun bricht und diesen verliert, sollte für die Folgen geradestehen. Wenn schon nicht die seelischen und emotionalen Schäden, die aus diesem Prozess erwuchsen, wieder gut gemacht werden können, so sollten es zumindest die finanziellen. Dachte sich der Hauptangeklagte, der seit dem Prozess auf einem Schuldenberg von € 600.000,– sitzt, und brachte eine Schadenersatzklage ein. Diese wurde von der zuständigen Richterin sorgfältig bearbeitet. Aber nicht nur diese, sie ließ es sich angelegen sein, die gesamten Prozessakten nochmals durchzugehen. Ihr Resümee ist so erschreckend wie erbärmlich. Nicht nur, dass der Schadenersatzanspruch zurückgewiesen wird, darüber hinaus soll der damals Hauptbeschuldigte € 41.300,– Schadenersatz zahlen, weil er die Frechheit besaß sein Recht einzufordern. Darüber hinaus missbilligt die Richterin das Urteil der Kollegin im ursprünglichen Prozess, indem sie sämtliche Zeugenaussagen als irrelevant ablehnt und indirekt die Verurteilung fordert.
Rechtsstaatlichkeit in Österreich bedeutet demnach für mich – als Resümee aus diesen Vorgängen: Du kannst verhaftet und eingesperrt werden, auch wenn Du nichts getan hast. Du kannst gezwungen werden monatelang vor Gericht erscheinen zu müssen, damit um dieses Nichts verhandelt wird. Und Du wirst zu guter Letzt auch noch zur Kassa gebeten, als Dankeschön, dass Dir Deine finanzielle Existenz vernichtet wurde.
Da ist es schon ein großes Glück, dass man in einem Rechts-staat lebt!
Quellen: www.278.at, www.tierschutzprozess.at, www.tierrechtsprozess.noblogs.org, www.demokratie-retten.at, www.martinballuch.at
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Markus Schaak
Seit diesem Skandal sehe ich Österreich mit anderen Augen. Ich weiß nicht ob so etwas in Deutschland auch passieren könnte ? Aber in diesem Fall agierten politische, juristische und wirtschaftliche Strukturen, die mich an eine Mafia erinnern. Schlimm, dass niemand der Akteure zur Rechenschaft gezogen wurde.
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