Wieder einmal gab es eine Aufdeckung einer Tierrechtsorganisation. Diesmal in einem Schweinestall. Genauerhin handelte es sich um einen Zucht- und Maststall. Wenn die Tiere schon nicht herauskönnen, dann haben sie doch dort zumindest Stroh, Buchten, in denen sie toben können und die Mamas haben mit ihren Ferkeln extra Buchten, für jede Mama eine. So wird es uns doch ständig suggeriert. Man müsse Verständnis haben, dass es nicht jedem*r Landwirt*in möglich ist, die Tiere im Freien zu halten, aber im Stall, da ist es schön, da haben sie es lustig und es geht ihnen gut. Schließlich wird auf sie geschaut. Man überlege nur, das ist ja schließlich das Kapitel des*r Landwirt*in. Denn wenn es den Tieren nicht gut geht, dann werden sie krank und sterben. Das ist nicht im Interesse der Besitzer*innen, die damit Geld verdienen wollen. Die Erklärung leuchtet ein, so dass man sich entspannt zurücklehnt und in dem guten Gedanken wiegt, den Tieren geht es gut. Bis man die Aufdeckung sieht und sich eigentlich eingestehen muss, dass man ständig belogen wurde und sich belügen ließ. Ist auch viel einfacher, bloß zu glauben und nicht weiter nachzufragen, ja nachzusehen.
Ich wollte es immer noch nicht glauben, denn es klang doch alles so plausibel. Also fuhr ich zu dem Stall, in dem die Aufdeckung geschah, um es mit eigenen Augen zu sehen. Es würde sich herausstellen, dass die Aufnahmen wohl übertrieben sind und es in Wirklichkeit gar nicht so schlimm ist. Und ich sollte recht behalten. Es war noch viel schlimmer. Die Schweine auf Vollspaltenboden, der die Gelenke kaputtmachte und die Füße schmerzen ließ. Die Enge, die es kaum möglich machte, sich umzudrehen. Die Langeweile, da es nichts gab, womit sie sich beschäftigen konnten und dazu führte, dass sie begannen, sich gegenseitig anzuknabbern. Die Ausdünstungen der Fäkalien, über denen sie die wenigen Monate, die sie leben durften, verbringen mussten, führten zu Augen- und Lungenentzündungen. Kein einziges, das wirklich gesund war. Aber dann führte mich die Bäuerin zu den Mutterschweinen, die in engen Käfigen vor sich hinvegetierten, neben sich die Ferkel. Eines fiel mir besonders ins Auge. Es wirkte leblos und lag ein wenig abseits. Ob es überhaupt noch die Kraft hatte zur Brust seiner Mutter zu gelangen? Als die Bäuerin kurz wegsah, schnappte ich mir das Kleine und verbarg es unter meiner Jacke. Es rührte sich nicht, ließ es anstandslos geschehen, als wenn ihm alles egal wäre.
Ich war froh, als ich endlich wieder heraussen war, aus dem Gebäude, dass sich Stall nannte und doch nichts anderes war, als ein Fabrikgebäude, in dem alles vollautomatisch ablief, das Tränken, das Füttern, Ausmisten musste man nicht. Lebewesen, die als reine Fressmaschinen gesehen und auch so behandelt werden. Und ständig wird uns etwas anderes erzählt. Wir glauben es, weil wir es glauben wollen. Und wenn uns etwas anderes gezeigt wird, die Wahrheit, die realen Bedingungen, dann sind das doch bloß Ausnahmen, wird behauptet. Man gelobt Besserung und alles geht so weiter wie bisher. Ein paar Tage später ist es wieder vergessen.
Ich musste dringend zum Tierarzt. Der besah sich das Schweinchen, das ich bereits als meines betrachtete und päppelte es so gut wie möglich auf. Jetzt läuft es fröhlich auf der Wiese herum, wühlt, wie es Schweine eben tun und ist lebendig und froh. Ich habe ihm den Namen Fridolin gegeben. Ein gestohlenes Leben, das es wahrscheinlich nicht geben durfte. Ein Leben, das völlig gleichgültig ist. Eines auf oder ab spielt keine Rolle. Dabei ist es das Einzige, was dieses Ferkel hat, ein Leben, das es leben will. Selbst das wird ihm verwehrt, ihm und Millionen Leidensgenoss*innen. Deshalb habe ich ein schlechtes Gewissen. Nicht, weil ich ein Ferkel gestohlen hatte, das eingegangen wäre, wenn es geblieben wäre, wo es war, sondern weil ich all die anderen zurücklassen musste, hilf- und rettungslos den Tierquälern ausgesetzt. Und niemand sagt etwas.
Und während ich Fridolin den Bauch kraule, was er besonders gern mag, träume ich von einer Welt, in der es keine Ställe und keine Gefangenen mehr gibt, keine Misshandlung und Ausbeutung, sondern nur mehr Lebewesen, die die Sonne spüren, den Wind und den Regen, die sich zusammenkuscheln, um sich gegenseitig zu wärmen und nichts weiter tun, keinen anderen Nutzen haben, als einfach ihr Leben zu leben.
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