Jetzt liegst Du warm und gemütlich im Stroh, hast genügend Platz und darfst raus auf die Weide. Vor einigen Tagen war das noch ganz anders. Da lebtest Du auf engstem Raum auf verdreckten Vollspaltenböden mit vielen anderen Leidensgenoss*innen. Deine Wunden, die durch die scharfen Spalten verursacht wurden, aber auch durch Deine Artgenoss*innen, die an Dir herumknabberten, weil Du zu den schwächeren zähltest und ihnen schlicht fad war, so ganz ohne Ablenkung und Beschäftigungsmöglichkeit. Dabei verwenden Schweine den Großteil ihrer Zeit darauf mit Lust und Freude, ihre Umgebung auszukundschaften. Aber in diesen Dreckslöchern? Ein Schritt vor, einer zurück. Das war alles, was ihr tun konntet und dabei ständig den giftigen Ammoniakdämpfen Eurer eigenen Exkremente ausgesetzt, die sich unter den Spalten des Bodens sammelten und die nie entfernt wurden, zumindest die paar Monate, die ihr hättet leben dürfen. Du warst auch total verdreckt, doch das ließ sich abwaschen, nur die Wunden, die Dein Körper trägt, zeugen noch von dieser schweren Zeit. Endlich wurde der Stall geschlossen und Du kamst hierher, wo Du den Rest Deines Lebens in Ruhe und Frieden leben darfst. Fridolin habe ich Dich genannt.
„Das ist ein Tierwohlstall“, hieß es. Und ich fragte mich automatisch, wie es zugeht, wenn es kein Tierwohl, sondern ein Tierleidstall ist. Erst die Aufdeckungen führten dazu, dass etwas geschah. Schon lange war darüber gesprochen worden, doch erst, als die Öffentlichkeit darüber informiert wurde, geschah etwas, änderte sich etwas, auch für Dich, Fridolin. Verkauft wird es als Tierwohlfleisch, umrahmt von geschönten Bildern, die glückliche Schweine zeigen, verkauft auch bei der Fa. Spar. Es sollte darüber geredet werden, denn auch dieser österreichische Familienbetrieb lockt Kund*innen zum Kauf, indem ihnen von der Werbung gesagt wird, dass die Tiere, die für dieses Fleisch sterben müssen, zumindest ein glückliches Leben hatten. Die Menschen, die es kaufen, glauben daran, auch weil sie es wollen. Doch dann kam die Aufdeckung und die ganze Werbelinie drohte in sich zusammenzubrechen, denn viele sahen sich getäuscht. „Macht doch was dagegen“, wurden sie aufgefordert. Und sie machten etwas dagegen. Worin bestand dieses Machen? Nicht etwa darin tatsächlich mehr Tierwohl zu etablieren bzw. von den Zulieferern einzufordern. Ganz anders. Es wurde geklagt. Eine SLAPP-Klage nennt man das, also ein Strategic lawsuit against public participation, zu deutsch, eine Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung. Dort, wo die Öffentlichkeit, sei es als Journalist*in, als NGO oder auch als einfache Bürgerin eine kritische Meinung kundtut, die reichen Organisationen oder Personen schaden könnten, was in den meisten Fällen bedeutet, dass der Profit geschmälert wird oder bloß ihre Reputation, geht man nicht mehr auf die Argumente ein oder versucht sie zu widerlegen, nein, man geht einen ganz anderen Weg. Man klagt. Es geht bei diesen Klagen nicht darum, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, sondern nur darum derjenigen, die die Vorkommnisse ans Licht bringt, zu schaden. Ganz gleich, ob der Prozess von der klagenden Seite gewonnen oder verloren wird, es kostet den Geklagten viel Mühe, Kraft und Geld, um sich gegen Konzerne oder andere Wohlhabende zur Wehr zu setzen, die oft eine ganze Rechtsabteilung unterhalten. Sie zahlen das aus der Portokasse, doch die Beklagten kann es ihre Existenz kosten. Oftmals genügt schon eine Klagsandrohung. So wird die Gegnerin zwar nicht physisch, aber finanziell ruiniert. Die Fa. Spar hat es durchgesetzt, dass sie nicht mehr im Zusammenhang mit Schweinefleisch genannt werden darf, denn, so die Urteilsbegründung, die Fa. Spar hat schließlich keine Schweinezucht und kann deshalb gar nichts dafür. Das bedeutet, dass Kritik nicht mehr möglich ist. Und das Fleisch von den Tierqualinstitutionen darf weiter bezogen und den Konsument*innen als Tierwohlfleisch verkauft werden. Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht einer kritischen Öffentlichkeit. Viele werden sich davon abschrecken lassen, denn sie haben zurecht Angst um ihre Existenz. Doch was bedeutet das? Dass diese Firmen uns das Blaue vom Himmel herunterlügen dürfen, aber man darf es nicht sagen. Was ist allerdings von einer Justiz zu halten, die mit diesen Firmen paktiert? Dass sie alles, nur nicht unabhängig ist, dass Profit auch für diese mehr zählt als leidende Geschöpfe.
Friedlich und behütet schläfst Du, Fridolin. Du brauchst Dir um so etwas keine Gedanken zu machen. Du darfst einfach leben, beinahe ganz artgerecht, wie es den allermeisten Deiner Artgenoss*innen immer noch nicht vergönnt ist. Doch ich verspreche Dir, dass wir uns nicht davon abhalten lassen werden, weiterhin die Wahrheit an die Öffentlichkeit zu bringen, so lange, bis Euer Leiden endlich ein Ende findet.
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