Der gestohlene Hund

Michael saß im Haus seiner Mutter, in dem er sich vorübergehend einquartiert hatte, und dachte, dass er nun den Hund an der Backe hatte. Das würde dem Weibsstück eine Lehre sein. Mir nichts Dir nichts hatte sie ihn auf die Straße gesetzt. Dabei war ihre Beziehung so gut gewesen. Bloß sie hatte dauernd was zu meckern gehabt. Aber die würde sich anschauen, sie würde Rover, den silbergrauen Weimaraner nur zurückbekommen, wenn sie sich bei ihm entschuldigte und wieder einwilligte, mit ihm zusammenzuleben. Eine Stunde noch, dann würde sie von der Arbeit nach Hause kommen und merken, dass er weg wäre.

Martha kam es seltsam vor, dass sie nicht freudestrahlend von ihrem Hund begrüßt wurde, als sie das Haus betrat. Sie sah sich um und fand ihn nicht, nirgends. Stattdessen lag ein Zettel am Tisch im Esszimmer. „Du kriegst Deinen Köter wieder, wenn Du einsiehst, dass wir zusammengehören und ich wieder einziehen darf. Wenn nicht, siehst Du den Hund nie wieder. Vergiss nicht, rechtlich gehört er mir. Du hast bis heute um 19.00 Uhr Zeit. Gruß Michael.“ Martha sank in sich zusammen. Ja, es war wahr, rein rechtlich war Michael der Besitzer des Rüden. Damals, als sie er es sich einbildete unbedingt einen stolzen Rüden besitzen zu müssen, natürlich vom Züchter, hatte er den Kaufvertrag unterschrieben. Damals hatte sich Martha keine Gedanken gemacht, denn schließlich waren sie ein Paar. Sie hätte sich niemals träumen lassen, dass es einmal ein Problem sein könnte. Doch so sehr Michael auch beteuert hatte, er werde sich um den Hund kümmern, so schnell hatte er all diese Beteuerungen wieder vergessen. Martha war es, die mit dem Hund in die Hundeschule ging, jeden Tag spazieren und zum Tierarzt fuhr, wenn es notwendig war. Mit den Jahren war ihr der ausgeglichene, ruhige Vierbeiner so sehr ans Herz gewachsen, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte. Dafür aber desto besser eines ohne Michael. Nicht nur, dass sie erkannt hatte, wie wenig verlässlich er war, sondern auch, dass er sie mehr und mehr als kostenlose Putzfrau verstanden hatte, natürlich mit dem gewissen Mehrwert. Seine Freizeit verbrachte er bevorzugt mit seinen Freunden. Er war eigentlich nur mehr zum Duschen und Schlafen nach Hause gekommen. Und natürlich für den gewissen Mehrwert. Irgendwann hatte es Martha satt, ihn satt und hatte ihn vor die Türe gesetzt. Dass er Rover für seine Machenschaften instrumentalisieren würde, das hätte sie nie für möglich gehalten. Doch was sollte sie jetzt tun? Michael zurück in ihr Leben zu lassen, das war keine Option, aber sie wollte nicht ohne Rover sein. Allein der Gedanke daran, wie es dem anhänglichen Hund ergehen würde, wenn er bei Michael bliebe, trieb ihr die Tränen in die Augen. Aber sie konnte auch keine Hilfe von der Justiz erwarten, da der Hund eben ihm ordnungsgemäß gehörte. Außerdem würde das viel zu lange dauern. Bis dahin wäre der Hund völlig traumatisiert. Was sollte sie also tun, wollte sie Rover und sich selbst retten? Deshalb rief sie Michael an und bat ihn mit Rover zu ihr zu kommen. Sonderbarerweise folgte er ihrer Einladung, doch er kam ohne Rover. Das hatte Martha vorausgesehen und eine gute Freundin gebeten, den Rover gut kannte, den Hund zu holen und zu ihr zu bringen, vorläufig. Martha erklärte dem Mann, den sie einst geliebt hatte, nochmals, wie es um ihre Gefühle stand und dass es doch für beide eine Chance wäre, eine neue Beziehung einzugehen, in der sie glücklich sein könnten, denn sie war überzeugt, dass er sofort darauf vergessen würde, wenn ihm eine andere Frau Avancen machte. Doch er war uneinsichtig. Nach einer Stunde ging er wieder, in dem Bewusstsein, dass er den Hund immer noch als Druckmittel hatte. Sobald er gegangen war, sprang Martha ins Auto, holte Rover von ihrer Freundin ab und fuhr mit ihm weit weg, in einen anderen Ort, in dem sie nochmals ganz von vorne anfangen konnte, ohne Angst um Rover haben zu müssen. Sie war dankbar, dass die freiberuflich arbeitete und so nicht an einen Ort gebunden war. Der Hausverkauf würde ohne sie über die Bühne gehen, doch was, wenn sie diese Möglichkeit nicht gehabt hätte. Sie hätte zusehen müssen, wie Michael ihren treuen Freund einfach mitnehmen durfte, nicht, weil er Interesse an ihm hatte, sondern nur um sie zu bestrafen. Nichts ist schäbiger, als ein anderes Lebewesen zu missbrauchen, um anderen weh zu tun. Mit einem solchen Menschen wollte Martha nichts mehr zu tun haben. Sie sah Michael nie wieder, aber Rover blieb bei ihr für den Rest seines Lebens, glücklich und zufrieden und unbehelligt. Aber letztlich und rein rechtlich hatte sie diesen, ihren Hund gestohlen.

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