Valentinstag

Anton war von seinen männlichen Qualitäten überzeugt. Das Problem war nur, die Mädels davon zu überzeugen. Lederhose und Bierbauch waren heutzutage nicht mehr genug. Nicht einmal, dass man 13 Krügel zu sich nehmen konnte, ohne weitere motorische Einschränkungen befürchten zu müssen. Eine Zeitlang hatte er wirklich ernsthaft darüber nachgedacht, ob der das mit den Weibern nicht gleich ganz bleiben lassen sollte, aber bei diesem hehren Vorhaben stand ihm eben jene Natur im Weg, derer er sich brüstete, nämlich die männliche. Nicht zu vergessen, dass er auch noch eine lange Rute hatte, mit der er die dicksten Fische an Land zu ziehen vermochte und eine gut dimensionierte Flinte, die ihm noch bei jeder Hochsitzsauferei trefflichst ausschlug, im wahrsten Sinne des Wortes. Daneben verfügte er noch über handwerkliches Talent und zog bei kaum einer Rauferei den Kürzeren. Mit einem Wort, ein ganzer Mann, bei dessen Erscheinen sich eigentlich sämtliche Mädchen alle zehn Finger abschlecken mussten.

Aber den Anton interessierten nicht sämtliche Mädchen, sondern nur die eine, die Mitzi, die in ihrem Dirndl so stramm und wohlproportioniert aussah. Ein bisschen was auf den Rippen, die richtige Rundung da und dort, das war genau seins. Sie war ganz offensichtlich keine Kostverächterin. Nicht so wie diese Hungerhaken. Das konnte der Anton gar nicht brauchen. An die Seite eines strammen Burschen gehörte eine ebensolche Dirn. Doch da war noch die Geschichte mit der Romantik, die selbst die bodenständigsten weiblichen Wesen einforderten. Deshalb hatte er sich etwas einfallen lassen. Wenn er ganz ehrlich war, so hatte er seine Schwester um Rat gefragt und den, den er von ihr erhalten hatte, befolgt. So fand die Mitzi am Morgen des Valentinstags den Anton mit einem Strauß Rosen vor der Türe, den er ihr überreichte und um ein Rendezvous bat. Die Mitzi wurde abwechselnd rot und weiß, was in angenehmer Weise ihre nationale Gesinnung gleich mit zum Ausdruck brachte, und zeigte sich überhaupt sehr gerührt von seinem Ansinnen, so dass sie ohne viel Hin und Her, zustimmte, sich von ihm des Abends, nach getaner Arbeit, abholen und ins beste Restaurant des Dorfes ausführen zu lassen. Beschwingt, beinahe torkelnd vor Glück, wie es ihm selbst nach 13 Bier noch nicht passiert war, trat er den Weg zur Arbeit an. Des Nachmittags ging er nach Hause und beschloss, weil er in solcher Hochstimmung und voller Vorfreude war, sich selbst zu belohnen, indem er endlich die Krähe schoss, die sich so dreist auf sein Grundstück wagte. Schießverbot hin oder her. Wer sollte das schon mitbekommen, wenn gar anzeigen. In einem Dorf, zumal in einem, in dem jeder jagte oder zumindest mit jemandem verwandt war, der jagte, zeigte man sich nicht an. Da herrschte noch Solidarität. Von seinem Balkon aus erwischte er das Krähenvieh. Leblos fiel es zu Boden, gerade richtig am Valentinstag, dem Tag, an dem man die Liebe zelebrierte, wie er es an diesem Abend zu tun gedachte.

Und genau an diesem Tag, an dem alle sich um Rendezvous bemühen, vielleicht den Partner oder die Partnerin fürs Leben finden, just an diesem Tag, war einer Krähendame ihr Lebenspartner genommen worden. Sie hatte den Schuss gehört und war neugierig herbeigeflogen, um zu sehen, was das los war, wohlweislich mit sicherem Abstand, so dass der Schütze Anton sie nicht zu Gesicht bekam. Erst, als er das Haus endlich verlassen hatte, flog sie zu ihrem Genossen. Kalt und steif lag er im Gras. Sie stupste ihn mit dem Schnabel an, doch er rührte sich nicht. Nie wieder würde er sich rühren. Ein einziger Schuss hatte genügt, um das Leben dieses Vogels zu vernichten. Einsam, allein und betrübt fristete von nun an ihr Dasein. Ob dieser Schütze auch nur eine Idee davon hatte, was es bedeutete, seinen Partner zu verlieren, so ohne jeden besonderen Grund, bloß, weil er gerade Lust darauf gehabt hatte, jemand zu erschießen. Und es war geschehen, am Valentinstag, am Tag, an dem man die Liebe zelebriert, als der Krähendame die Liebe genommen worden war.

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