Der Jäger und sein Hund

Leise pfiff er vor sich hin. Die Welt war in Ordnung. Für den Jäger sowieso. Für seinen Hund noch. Max hieß er, der Hund, ein reinrassiger Deutsch Kurzhaar. „Wenn schon Hund, dann muss er aus einer hervorragenden Zucht stammen“, war sein Besitzer, der Jäger überzeugt, „Schließlich habe ich ihn nicht zum Spaß. All die Idioten mit ihren Kläffern, die für nichts zu gebrauchen sind, aber halt ach so süß sind. Nein, ein Hund, das war ein Tier, das einen Nutzen bringen musste. Fertig.“ Max hatte ihm vom ersten Tag an zufrieden gestellt. Nicht nur, dass er sehr gelehrig und folgsam war, er wusste auch, dass er nur auf ihn hören durfte. Seine Frau hatte es probiert, ihn zu verderben. Ebenso wie seine Kinder, aber dem hatte er ganz schnell einen Riegel vorgeschoben.

Max war ein ganzer Rüde. Was sollte er auch mit einem Eunuchen anfangen? Ein kastrierter Hund war kein richtiger Hund mehr. Taugte auch nicht mehr für die Jagd. Lasch machte sie der Eingriff. Auch mit dem Gehorsam klappte es besser, wenn er intakt war. Der Jäger war ein Mann von kräftiger Statur und Stimme. Sobald es möglich war, nahm er ihn mit auf die Jagd. Das war, nachdem er alle Prüfungen zum Jagdhund mit Bravour bestanden hatte. Der Jäger hatte zuvor schon einige Hunde gehabt, aber dieser war sein bester, sein allerbester. Einen solchen würde er nicht mehr finden. Zwölf Jahre hatte er ihm treu und untertänig zur Seite gestanden, hatte sich als äußerst begabt bei der Nachsuche erwiesen und war beherzt und mutig niemals einem Kampf aus dem Weg gegangen.

„Was machst denn mit der Schaufel?“, fragte die Frau des Jägers ihren Mann.
„Ich grab ein Loch, im Garten“, antwortete der Jäger knapp.
„Aber dass Du mir nicht meinen Rasen ruinierst!“, quäkte die Frau.
„Is scho recht“, erklärte er muffig und trat hinaus in den Sonnenschein. Max war an seiner Seite. Kurz blieb der Jäger stehen, um sich einen geeigneten Platz für das Loch zu suchen. Zufrieden nickte er, als er es neben dem Kompost ausmachte. Da könnte auch seine Frau nichts aussetzen. Dann schritt er zu dem Platz und begann zu graben, während Max sich neben ihn legte und ruhig zusah.

Nun, mit zusehen war wohl nicht mehr viel. Immer öfter hatte der Hund den Jäger blamiert, in letzter Zeit. Entweder gehorchte er nicht oder er war schaffte das notwendige Tempo nicht mehr. Von Durchhaltevermögen ganz zu schweigen. Als erst war der Jäger furchtbar wütend gewesen, denn er war sich sicher, der Hund tat ihm das zu Fleiß, doch das war nicht der Fall. Er musste entdecken, dass Max Sehkraft erschreckend nachgelassen hatte und er hörte auch fast nichts mehr. Das erklärte auch die Gehorsamsverweigerung. Er hörte es schlicht nicht mehr. Und dann war er halt alt. Zwölf Jahre mittlerweile. Er war langsam geworden, hielt nicht mehr wirklich durch. Natürlich war das normal. Wir werden alle alt, aber ein Hund, der nur deshalb eine Lebensberechtigung hatte, weil er für die Jagd gebraucht wurde, war nutzlos, wenn er blind, taub und lahm war. Nutztiere dürfen nur so lange am Leben bleiben, so lange sie einen Nutzen bringen. Wenn sie den nicht mehr bringen, sind sie nur unnötige Fresser. So sah das der Jäger. Endlich befand er, dass das Loch, das er gegraben hatte, tief und breit genug war. Deshalb nahm er seine Pistole aus dem Hosenbund, schraubte den Schalldämpfer auf und legte an. Max sah ihn erwartungsvoll an. Alt wie er war, schien er sich einfach nur zu freuen, dass er bei seinem Herrchen sein und ausruhen durfte. Schließlich hatte er ihn ausnahmsweise nicht vertrieben oder in den Zwinger gesperrt. Max war voller Zutrauen und Zuneigung. Dafür schoss ihm der Jäger ins Herz. „Nutzloses Viech“, dachte er. Max war sofort tot. Bis zum letzten Moment hatte er dem Mann vertraut, der ihn umbrachte. Dann warf er den Hund in das Loch und schaufelte Erde auf die Leiche, bis man nichts mehr davon sah. Dann säuberte er die Schaufel und trug sie zurück in den Schuppen.
„Wo ist denn der Max?“, fragte die Frau des Jägers, als er sich zum Essen setzte.
„Im Loch“, antwortete der Jäger kurz. Dann begann er zu essen. Jetzt, wo er sich die Belastung vom Hals geschafft hatte, konnte er sich um einen neuen Hund umsehen, einen, den man brauchen konnte.

(Nach einer wahren Begebenheit.)

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