Empathie verboten (1)

Anna war noch nie bei einer Geburt dabeigewesen, obwohl sie auf einem Bauernhof großgeworden war, der Milchwirtschaft betrieb. Das bedeutete, dass die Kühe ständig Kälber zur Welt bringen mussten, um den Milchfluss am Laufen zu halten, während die damit verbundenen Babies eher als Kollateralschaden gesehen wurden. Waren es Mädchen, so hatten sie zumindest noch die Möglichkeit, in die Fußstapfen ihrer Mütter zu treten, aber Buben waren für gar nichts gut. Nicht nur, dass sie keine Milch gaben, sie brauchten auch unheimlich lange, um Fleisch anzusetzen. Deshalb wurden sie so rasch wie möglich auf den Markt gebracht. Der Ertrag war zwar mäßig, aber jeden Tag, den sie früher den Hof verließen, war ein Tag weniger, den sie durchgefüttert werden mussten. Aber ganz gleich welches Geschlecht die Kleinen hatten, sie kamen kurz nach der Geburt von der Mutter weg und in Einzelhaft in sog. Kälberiglus. Anna konnte es nicht ertragen, auch wenn sie dem nicht auskam. Schließlich schrien die Mütter nach ihren Babies, oft tagelang. Doch niemand schien das zu tangieren – außer ihr. Deshalb wollte sie so schnell wie möglich weg. „Nur noch ein paar Monate, dann habe ich die Matura und ich gehe hier weg, für immer“, dachte Anna. Doch dann lernte sie Mathilde kennen.

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Das Weltgericht der Tiere

Was wäre, wenn die nichtmenschlichen Tiere über die menschlichen zu Gericht sitzen? Wie wäre ihre Conclusio über jene? Hört es Euch an.

Hier könnt Ihr die Episode „Das Weltgericht der Tiere“ hören.

du tier du

beschimpfung, „du tier du“.

bestialisch, ungezügelt, maßlos, unmoralisch, verkommen, abwertend, entwürdigend.
zurückgesetzt auf ein unkommunikatives, vorsprachliches niveau.
den puren instinkten unterworfen.

würdigung „du mensch du“.

reflektiert, intelligent, sprachbegabt, moralisch, gezügelt, selbstbewusst.
herausgehoben aus der unbewussten natur.
nur dem intellekt gehorchend.
der mensch ist wertig.
das tier ist unwertig.
der mensch ist tier.
biologisch gesehen.
das wollen wir nicht hören.
der mensch ist zu zivilisiert, um natur zu sein.

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Das Leben als Produktionsmittel

Und ich male Kreuze. 220 Kreuze. 4 min 24 sec für 220 Kreuze. Ich blinzle. Unwillkürlich. Jedes Blinzeln 220 Tote. 220 Kreuze zu malen in einer hundertstel Sekunde ist unmöglich. Die Zeit, in der sie sterben. 220 ausgelöschte Leben. Mit einem Blinzeln. Ich blinzle den Tod. Ich brauche 4 min 24 um 220 Kreuze zu malen. In Reih und Glied. 4 min 24 Kreuze malen bloß 220 sind 5.808.000 Tote. Ohne die Kollateralschäden. Ohne den Ausschuss.

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Vegan heißt ja zum Leben sagen (1)

Es war einmal ein Mädchen namens Liv, was so viel wie Leben bedeutet, zumindest im skandinavischen Raum, die mit ihrer Hündin Nanna spazieren ging. Sie war eine Mischung aus verschiedensten Hütehunden, semmelbraun, mit langem Fell, groß und stämmig, aber gutmütig wie ein Lämmchen. Bei einem Urlaub in Rumänien hatten Liv und ihre Familie die Hündin als Baby auf der Straße aufgelesen. Seitdem war sie bei ihnen und immer an Livs Seite. An diesem Tag war Liv tief in Gedanken versunken gewesen und hatte nicht auf den Weg geachtet. Erst als ein klägliches Muhen an ihr Ohr drang, sah sie auf und versuchte sich zu orientieren. Sie standen mitten zwischen Feldern auf einem Weg. Den Ort hatten sie schon weit hinter sich gelassen. Doch woher kamen die Geräusche, die eindeutig als solche zu identifizieren waren, die Kühe von sich gaben. Kleine Kühe. Endlich machte Liv winzige Hütten aus, vor denen jeweils ein kleiner abgezäunter Bereich war. Wie Minihäuser mit Balkon wirkte es. Und in jeder dieser Hütten befand sich ein Kälbchen.

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