Empathie verboten (2)

Anna stürmte in die Küche, in der ihr Vater saß und jausnete. „Wo sind Mathilde & Max hingekommen? Was macht das fremde Pferd in ihrer Box?“, fragte Anna rundheraus. „Das Pferd steht dort, die Besitzerin zahlt eine Menge Stallgebühren und da musste ich die beiden weggeben“, antwortete der Vater ungerührt. „Aber das waren meine Tiere!!! Die kannst Du nicht einfach hergeben“, beharrte Anna. „Hast Du das schriftlich?“, fragte der Mann ruhig. Anna ließ sich kraftlos auf einen Stuhl fallen. War das jetzt ernstgemeint? Ihr wurde schwindlig. „Ich habe Dir die Tiere abgekauft und meinte, dass ich Dir vertrauen kann“, sagte sie tonlos, worauf der Vater nur mit den Schultern zuckte, als ginge es ihn nichts an, als hätte er damit nichts zu tun, so dass Anna wütend wurde. Adrenalin durchflutete sie und gab ihr neue Kraft. „Wo sind sie hin? An wen hast Du sie verscherbelt, Judas?“, forderte sie zu wissen. „Auf dem Weg zum Schlachthof“, gab der Vater zu. „Vielleicht kann ich sie noch retten“, dachte Anna, sprang auf, lief auf den Hof und brauste mit dem Transporter ihres Vaters davon, „Zumindest muss ich es probieren.“ Hinter ihr hörte sie die erboste Stimme ihres Vaters, doch es war ihr egal. Er hatte sie verraten, doch sie ließ es nicht zu, zu weinen. Dafür war jetzt keine Zeit.

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Empathie verboten (1)

Anna war noch nie bei einer Geburt dabeigewesen, obwohl sie auf einem Bauernhof großgeworden war, der Milchwirtschaft betrieb. Das bedeutete, dass die Kühe ständig Kälber zur Welt bringen mussten, um den Milchfluss am Laufen zu halten, während die damit verbundenen Babies eher als Kollateralschaden gesehen wurden. Waren es Mädchen, so hatten sie zumindest noch die Möglichkeit, in die Fußstapfen ihrer Mütter zu treten, aber Buben waren für gar nichts gut. Nicht nur, dass sie keine Milch gaben, sie brauchten auch unheimlich lange, um Fleisch anzusetzen. Deshalb wurden sie so rasch wie möglich auf den Markt gebracht. Der Ertrag war zwar mäßig, aber jeden Tag, den sie früher den Hof verließen, war ein Tag weniger, den sie durchgefüttert werden mussten. Aber ganz gleich welches Geschlecht die Kleinen hatten, sie kamen kurz nach der Geburt von der Mutter weg und in Einzelhaft in sog. Kälberiglus. Anna konnte es nicht ertragen, auch wenn sie dem nicht auskam. Schließlich schrien die Mütter nach ihren Babies, oft tagelang. Doch niemand schien das zu tangieren – außer ihr. Deshalb wollte sie so schnell wie möglich weg. „Nur noch ein paar Monate, dann habe ich die Matura und ich gehe hier weg, für immer“, dachte Anna. Doch dann lernte sie Mathilde kennen.

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Alleingelassen

Timo rollte sich ganz fest zusammen, in der hintersten Ecke des Verschlages, in den man ihn gesperrt hatte. Die ersten Schneeflocken wogten sanft herab und er fror entsetzlich. Doch viel schlimmer als die Kälte war die Einsamkeit, die schreckliche Angst, nie wieder zu seiner Mama zu kommen. Dabei war er doch erst ganz kurz auf der Welt. Sollte er sich da nicht zu seiner Mama kuscheln, bei ihr trinken? Ein bisschen mehr rollte er sich ein. So weit es eben ging. Gut, sein Verschlag war dick mit Stroh ausgepolstert, aber die Kälte blieb trotzdem und gegen die Einsamkeit half auch die dickste Strohschicht nicht. Schon gar nicht gegen die Angst. Doch was war geschehen? Warum musste er da sein? Er hörte seine Mama rufen. Sie konnte gar nicht weit weg sein. Trotzdem war er da und sie dort.

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Das verwaiste Kalb

Milch ist gesund und gut für Dich. Milch stärkt die Knochen und soll sogar schlau machen, wie es die NÖM-Werbung suggeriert. Seit den 60er Jahren wird uns dieses Ammenmärchen erzählt und wir glauben es. Untermalt wird das von Szenarien glücklicher Kühe auf der Weide, lustig herumspringenden Kälbchen und der ganzen bäuerlichen Idylle, die uns die Werbung so gerne suggeriert. Wenn es den Tieren eh so gut geht und dieses wunderbare, weiße Getränk so gut für uns ist, warum sollten wir es lassen? Milch ginge vielleicht noch, aber Käse, der ist so schrecklich gut. Darauf können manche nie verzichten, wie sie meinen.

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Bist Du #abgestillt?

Heute, am 01. Juni, ist Weltmilchtag. Grund genug, um nochmals zusammenzufassen, warum es völlig absurd ist, die Muttermilch einer fremden Spezies zu konsumieren. Dabei sollte uns das Wohl der Tiere ebenso am Herzen liegen, wie die Umwelt und unsere Gesundheit. Und wann wirst Du #abgestillt sein?

Hier kannst Du die ganze Episode „Bist Du #abgestillt?“ hören.

Hilfe, mein Kind ist immer noch nicht #abgestillt!

Familiäre, zwischenmenschliche Tragödien werden normalerweise im Verborgenen ausgetragen. Schließlich möchte man nicht als jemand dastehen, der etwas falsch gemacht hat, vor allem, weil man der irrigen Annahme ist, das ist nur mein Problem und alle anderen machen es richtig. Doch wie bei vielem anderen sieht man auch hier, es muss jemand beginnen, sich an die Öffentlichkeit wagen, um zu sehen, es geht vielen anderen genauso wie mir. Ich bin damit nicht alleine. Es fällt einem wie die sprichwörtlichen Schuppen von den Augen. Frau K., als eine Betroffene, hat sich dankenswerter Weise bereit erklärt, hier darüber zu sprechen. Verständlicherweise möchte sie anonym bleiben.

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Mit wem mitleiden und mit wem nicht? (2)

„Ich sage Euch, der Wolf hat in unseren Wäldern nichts verloren!“, kam nun endlich ein Einwurf vom Vater, der sein Mahl beendet und sich mit allen Anzeichen wohliger Zufriedenheit zurückgelehnt hatte. Jetzt konnte er auch wieder sprechen. „Nie zuvor gab es einen Wolf bei uns und wir brauchen ihn auch nicht. Schuld daran sind die, die meinen, wir müssten alle hereinlassen, Flüchtlinge und Wölfe. Man sieht ja was passiert. Die Flüchtlinge, das sind auch die, die die Tiere schächten, also ihnen bei lebendigem Leib ohne Betäubung den Hals aufschlitzen. Die Muslime und die Juden machen das. Da lob ich mir die gute Haltung und die humane Tötung. Man kann es drehen wie man will, die haben eben nicht unsere Zivilisation und nicht unsere Bildung.“
„Ganz genau“, gab ihm die Mutter recht, „Alle gehören erschossen.“
„Die Flüchtlinge?“, zeigte sich Katharina erstaunt, „Das ist aber jetzt schon arg.“

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Es sind doch bloß Babies

Max hat sich eingerollt, ganz eng zusammengerollt, in seiner Box, in der er in Einzelhaft leben muss. Natürlich hat er keinen Namen, nur eine Nummer. Es zahlt sich nicht aus, ihm einen Namen zu geben. Er ist doch bloß ein Kalb, dazu noch ein männliches, das bald tot sein wird oder irgendwo auf einem LKW, verfrachtet zum Schlachten. Ich habe ihm den Namen gegeben, um ihm einen Rest an Würde zu geben, als wäre er jemand gewesen, inmitten einer Industrie, in der er nur Etwas ist. Etwas, das Geld bringt oder nicht. Er bringt keines. € 8,49 ist er wert, in dieser Industrie. Da kostet das Futter mehr, das er braucht, dieser billigste Milchaustauscher. Selbst das ist noch zu teuer. Sein Wert bemisst sich nach seinem Nutzen. Er hat keinen, nicht in diesem System, aber für seine Mutter ist er die Welt. Er rollt sich zusammen, damit die Kälte weggeht, vor allem die der Einsamkeit. Dabei wollte er doch nichts anderes, als bei seiner Mutter sein. Saugen, nicht nur, um den Hunger zu stillen, sondern auch weil es gut tut. Doch er muss da sein, ganz alleine. Er versteht nicht warum. Dabei wollte er doch nichts weiter, als bei seiner Mama zu sein, so wie es sein sollte, nichts weiter, als zu leben.

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Es gibt kein Entrinnen (2)

Eines Tages brachte sie ein Baby zur Welt. Es wollte sich zu der Mutter kuscheln, doch man ließ es nicht zu. Man packte das Kleine, warf es in Scheibtruhe und brachte es fort. Es war ein Mädchen. Deshalb brachte man sie in eine Box, in eine ebensolche, wie jene, in der die ihre ersten Tage zubringen musste, die sie soeben zur Welt gebracht hatte. Wäre es ein Junge gewesen, wäre er nach wenigen Tagen auf einen Transporter verladen und tausende Kilometer weit in den Tod geschickt worden. Aber es war ihr egal, sie wollte ihr Baby nur bei sich haben. Mit schreckgeweiteten Augen musste sie mitansehen, wie es ihr entrissen wurde. Es zerriss ihr fast das Herz. Sie verstand es nicht. Es gab daran auch nichts zu verstehen.

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Es gibt kein Entrinnen (1)

Ihr Kopf sinkt nieder. Sie schließt die Augen. Zu ihrer letzten Nacht. Sie weiß es nicht. Kann sie auch nicht, aber sie fühlt es. Ihre letzte Nacht in Gefangenschaft. Ihre letzte Nacht vor der Freiheit des Todes. Sie wird hinausgeführt werden. Kurz wird sie einen Blick auf die Sonne werfen. Das Gras. Die Weite. Das erste Mal. Das letzte Mal. Dann wird man sie auf den Transporter treiben. Sie wird bereits so erschöpft sein, erschöpft von einem Leben des Leidens und des Schmerzes, in dem sie kaum einen Schritt vor oder zurück gehen konnte, dass sie diese paar Meter nicht schaffen wird.

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