Das Tierqualsystem

Menschen, die sich dem Leben verbunden fühlen, schließen kein Lebewesen aus dieser Verbundenheit aus. Deshalb ist der einzig logische Schluss für diese Menschen, vegan zu leben. Nicht nur zu essen. D.h. keine Lederschuhe, keine Daunenjacken, keine Zoo- oder Zirkusbesuche, keine Tierversuchsprodukte etc. Das versteht sich eigentlich von selbst. Nun heißt es aber, wir dürfen Tiere ruhig essen, wenn sie denn zuvor gut gehalten werden und zum Schluss human geschlachtet werden. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, dass es völlig unmöglich ist, jemanden human zu töten, der nicht sterben will. Bis zum letzten Moment wird sich dieses Wesen an sein Leben klammern – weil es nichts hat als dieses. Das Thema ist ein anderes. Es geht um das Leben als sog. Nutztier in Österreich (das gilt zwar auch viele andere Länder, aber ich will mich jetzt einmal auf Österreich beschränken). Angeblich haben wir einen der höchsten Tierwohlstandards. Gütesiegel zieren die Verpackungen der Teile, die ehemals ein Lebewesen war, die oft nicht die Farbe wert sind, mit der sie aufgedruckt wurde. Denn wie sieht die Realität aus. Dem VGT werden immer wieder Aufnahmen aus Betrieben zugespielt, von Menschen, die sich nicht selbst trauen, dieses Material zu veröffentlichen, aus welchen Gründen auch immer. Der VGT wiederum erstellt eine Aufdeckung. Nachdem es nur wenige Menschen gibt, die dies wagen, sind die Aufdeckungen nur die Spitze des Eisberges. Der wahre Umfang an Grausamkeiten, die hinter verschlossenen Stalltüren geschehen, wird wohl nie ganz sichtbar werden. Dennoch hatte der VGT 12 Aufdeckungen, allein im letzten Jahr. Ich möchte diese im Folgenden kurz darstellen, denn es ist dadurch leichter zu erkennen, wie systemisch diese Quälereien sind:

20. Juli 2021
20. Juli 2021

Am 20. Juli 2021 gab es eine Aufdeckung einer Schweinemast in der Nähe von St. Pölten. Diese zeigt so schreckliche Zustände, dass man sich schon fragen muss, wie das bei der AMA-Kontrolle und der angeblichen Betreuung durch den Tiergesundheitsdienst nicht gesehen wurde. Überall sieht man Kot und Dreck, mitten drinnen, Schweine mit blutigen Wunden am Rücken, stark geschwollenen Gelenken, abgebissenen Schwänzen und Ohren. Es sieht sehr danach aus, als wäre man der Meinung, dass diese Verhältnisse bei der Haltung auf Vollspalten normal sind. Dabei muss für jeden offensichtlich sein, dass es sich hierbei um ärgste Tierquälerei nach dem Tierschutzgesetz handelt.

20. August 2021
20. August 2021

Am 20. August 2021 wurde ein Schweinetransport von Pöttelsdorf transparent gemacht. Dabei veröffentlichte der VGT ein Video von der letzten Reise der Schweine. Sie wurden auf einen Tiertransporter verladen, auf dem mehrere hundert Schweine eingepfercht wurden. Von Pöttelsdorf ging es in den 170 km entfernten Schlachthof „Steirerfleisch“ in Wolfsberg. Wie zu erwarten, versuchte man am Schlachthof, das Filmen der Entladung zu verhindern. Dort prangt auch ein großes Schild, das anzeigt, dass das Fotografieren und Filmen verboten ist. Selbst der letzte Weg der Schweine, die wir essen, soll geheim bleiben.

16. September 2021
16. September 2021

Am 16. September 2021 wurden Tierqualbetriebe für Schweine zweier oberösterreichischer ÖVP-Funktionäre aufgedeckt. Neues Video- und Fotomaterial aus den Betrieben von Peter Gumpinger, ÖVP- Bauernbund Bezirksobmann Schärding, und von jenem von Markus Brandmayr, Landwirtschaftskammerrat für den ÖVP-Bauernbund im Bezirk Wels-Land, das dem VGT zugespielt wurde, zeigt Schweine mit geschwollenen Gelenken auf völlig verkoteten Böden, mit aufs schwerste entzündeten Augen, abgebissenen Schwänzen, Nabelbrüchen und ständigem Husten. Die Schweinefabrik des Peter Gumpinger trägt das AMA-Gütesiegel. Auf der Webseite für die Direktvermarktung wird von „Topqualität“ und „hochqualitativen Produkten“ schwadroniert, wobei wohlweislich auf Fotos aus dem Betrieb verzichtet wird. Markus Brandmayr betreibt neben der Vollspaltenboden-Mast auch eine Schweinezucht mit Kastenständen und Ferkeln auf Vollspaltenböden. In den Medien meinte er: „Wir Jungbauern sind sehr modern und fortschrittlich“. Sieht so der Fortschritt aus? Tierqual im industriellen Ambiente?

21. September 2021

Am 21. September 2021 musste ein Schächtskandal thematisiert werden. Aus den bereitgestellten Videos wird ersichtlich, dass Schafe an den Ohren und Beinen geschliffen, brutal auf den Boden geworfen und niedergedrückt werden. Der Hals wird gestreckt, woraufhin ein Schlachthofmitarbeiter beginnt, an der Kehle herumzuschneiden. Erst nach mehrmaligen Hin- und Hersäbeln beginnen die Tiere stark zu bluten. Eine Betäubung erfolgt nicht. Qualvoll sterben die Schafe bei vollem Bewusstsein am Blutverlust. Amtliche Kontrollorgane, wie es vorgeschrieben ist, sind nicht zu sehen.

10. November 2021
10. November 2021

Am 10. November 2021 wird Material aus drei Schweine-Teilspaltenbodenbetrieben aufgedeckt. Diese Betriebe, die weder mehr Platz noch Stroheinstreu aufweisen, wie es eigentlich bei Teilspaltenböden im Gegensatz zu Vollspaltenböden vorgesehen ist, befinden sich in der Nähe von Tulln, Neunkirchen und Korneuburg in NÖ. Das Foto- und Filmmaterial, das dem VGT zugespielt wurde, offenbart grauenhafte Zustände. Die Buchten sind extrem mit Fäkalien verschmutzt, die Tiere haben teilweise riesige Geschwüre und Beulen im Gesicht. Daneben zeigen sich die üblichen Verletzungen, wie man sie von Vollspaltenboden-Haltung schon gewohnt ist, wie geschwollene Gelenke, Augenentzündungen, abgebissene Ohren und Schwänze.

15 März 2022
15. März 2022

Am 15. März 2022 wird ein besonders schrecklicher Fall von Vernachlässigung von Kühen in Anbindehaltung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei sieht man, dass die Kühe eng an eng angekettet in einem alten Stallgebäude stehen. Ihre Hinterbeine sind bis zur Hüfte mit dicken Kotplatten verklebt und auch der Boden ist stark verschmutzt. Ein klarer Fall von Vernachlässigung.

30. März 2022
30. März 2022

Am 30. März 2022 werden einige Rindermasten aufgedeckt. Dazu muss gesagt werden, dass viele Stiere, die in der Rindermast in Österreich gehalten werden, ihr ganzes, kurzes Leben von ein bis zwei Jahren, in kleinen Boxen auf völlig verschmutzten Vollspaltenböden, verbringen müssen. Sie haben keine Möglichkeit, sich ausreichend zu bewegen, ihr Sozialverhalten auszuleben oder sich ausreichend zu beschäftigen. Diese Haltungsform ist eindeutig tierquälerisch, weil den Tieren offensichtlich Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden. Trotzdem dies dem §5 des österreichischen Tierschutzgesetzes widerspricht, ist diese Haltungsform legal. Die hier vorliegende Aufdeckung zeigt Fotos und Videos aus einigen niederösterreichischen Rindermastställen, in denen Stiere in kleinen Gruppen in engen Buchten auf Vollspaltenboden aus Beton gehalten werden. Von „Vollspaltenbodenlaufstall“ ist in der Branche die Rede. Dabei handelt es sich um die in Österreich meistverbreitete Haltungsform bei Mastrindern.

05. April 2022
05. April 2022

Am 05. April 2022 werden haarsträubende Dokumente eines AMA-Tierqualbetriebes für Schweinemast in Kärnten veröffentlicht. Dabei handelt es sich um Aufnahmen, die kaum zu ertragen sind. Man sieht blutig-abgebissene Schwänze, entzündete Augen, riesige Abszesse, aus denen Eiter quillt. Dass diese Zustände nur grausame Ausnahmen sind, kann bezweifelt werden, da alles andere bewusst geheim gehalten wird. Dafür wurden allerdings bereits zu oft auch bei AMA-Gütesiegel-Betrieben mit sog. kontrollierter Herkunftsqualität vergleichbare Zustände festgestellt.

!2. April 2022
12. April 2022

Am 12. April 2022 ging es wieder um einen Kärntner Schweinebetrieb, der das AMA-Gütesiegel trug. Auf den Videoaufnahmen ist klar zu sehen, dass alle dort gehaltenen Schweine abgeschnittene Schwänze haben, was laut Gesetz nur in Problemsituationen und ausnahmsweise erlaubt ist, um das Schwanzbeißen aufgrund von Stress zu verhindern. Sogenanntes Beschäftigungsmaterial, das den Tieren Abwechslung in ihren tristen Tagesablauf bringen sollte, war nur in lächerlicher Form und Menge vorhanden. Für 50 Schweine gab es nur zwei, manchmal nur ein Stück Holz, um hineinbeißen zu können. Ein Vollspaltenboden funktioniert am besten, wenn viele Schweine in einem Bereich, der Bucht, gehalten werden. Die Tiere drücken ihren Kot mittels ihrer Füße, aber auch ihrer Körper durch die Ritzen. Deshalb sind viele Schweine mit Kot verschmiert. Vereinzelt sieht man auch blutig gebissene Schwänze und andere Verletzungen.

23. Juni 2022
23. Juni 2022

Am 23. Juni 2022 gab es wiederum eine Aufdeckung in einer NÖ Schweinefabrik mit AMA-Gütesiegel. Die Zustände in besagter Fabrik sind wiederum katastrophal. Man sieht Tiere mit Verletzungen und abgebissenen Schwänzen. Was bei diesen Aufnahmen besonders ins Auge sticht, sind die zahllosen toten Tiere, die in verschiedenen Verwesungsstadien herumliegen, auch mitten am Gang zwischen den Buchten. Knochenreste beweisen, dass die Betreiber*innen die toten Tiere sehr lange nicht entfernen.

30. Juni 2022
30. Juni 2022

Am 30 Juni 2022 erfolgt wiederum eine Aufdeckung in einem Schweinebetrieb in NÖ, diesmal im Raum Korneuburg. Während sich der ÖVP-Landwirtschaftsminister Totschnig weiterhin gegen ein Verbot des Schweine-Vollspaltenbodens stemmt, leiden die Schweine weiter, wie aus dieser Aufdeckung aus einer Schweinefabrik mit rd. 1.000 Tieren, ersichtlich wird. Die Vollspaltenbodenbuchten sind völlig verkotet, die Luft verätzt die Lungen der Tiere, die Parasiten kriechen aus dem Güllekanal, die Schweine beißen sich im einstreulosen Betrieb ohne Wühlmöglichkeit gegenseitig in abstehende Körperteile, die Gelenke sind entzündet, sodass die Schweine nur unter Schmerzen gehen können. Eigentlich die Normalität auf Vollspaltenboden.

13. September 2022
13. Seütember 2022

Am 13. September 2022 gibt es einen neuerlichen Tiermastskandal im Raum St. Pölten. Diesmal sind Schafe, Schweine und Rinder betroffen. Die Vollspaltenbodenhaltung von Schafen ist gesetzlich verboten. Dennoch müssen in diesem Betrieb mehrere Gruppen von jungen Lämmern auf hartem Plastik-Vollspaltenboden ausharren. Dicht drängen sich die erst wenigen Wochen alten Tiere zusammen. Die Rinder stehen knöcheltief in Fäkalien-Seen, liegen und schlafen darin. Das bedeutet für die Tiere erhebliche Krankheitsrisiken und immenses Tierleid. Das besonders Makabre an diesem Fall ist, dass gegen den Betrieb bereits 2013 Anzeige erstattet wurde und die Vorkommnisse durchaus bekannt waren. Die Vorwürfe damals ähneln den aktuellen erschreckend: Verletzte, kranke, sterbende, verwesende Tiere und massive Verschmutzungen.

Das waren nur 12 Fälle aus einem Jahr. Die Dunkelziffer ist sicher weitaus höher, die Reaktionen gleich und absehbar. Zumeist wird von Überforderung der Betreiber*innen gesprochen. Oder sie meinen, das war halt gerade ein ganz besonders blöder Zeitpunkt. Sonst ist es ganz anders. Die Behörden, die zuständig sind, wissen in den meisten Fällen offiziell von nichts und versprechen nun genauer zu kontrollieren, was allerdings niemals geschieht. Die Medien springen auf – und nach ein paar Tagen ist alles wieder vergessen. Und die Menschen, die dieses Fleisch konsumieren? Sie sind entsetzt. Sie wollen schließlich nur Fleisch aus bester Haltung. Dann geht die Spirale der gegenseitigen Schuldzuweisungen los. Die Betreiber*innen fühlen sich von den Auflagen überfordert, die sie erfüllen müssen und geben dem Gesetzgeber die Schuld, der ihnen immer mehr abverlangt. Außerdem setzt sie der Handel unter Druck, der nur das billigste Fleisch will, denn sonst könnten sie es nicht verkaufen. Der Handel wiederum schiebt den Konsument*innen den schwarzen Peter zu, der angeblich nur das billigste Produkt kauft und das mit den hohen Tierwohlstandards bleibe im Regal liegen. Und die Konsument*innen meinen, sie könnten eh nichts ändern und machen weiter wie bisher. Die Behörden sprechen von Überlastung und unzureichenden Mitteln.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass niemand wirklich was dafür kann und alle nur das Beste wollen, aber die Umstände sie dazu zwingen, es nicht zu tun. Doch wo steckt das Übel wirklich? Wie konnte es so weit kommen, dass fühlende Lebewesen behandelt werden, als wären sie der letzte Dreck?

Es ist ein systemisches Problem. So lange im Turobkapitalismus alles, und zwar tatsächlich alles, incl. Menschen und anderen Tieren und der Natur unter dem Gesichtspunkt der höchstmöglichen Nutzbarkeit gesehen werden, werden sie auch so behandelt. In diesem System wird also das Tier nicht als Lebewesen gesehen, das entsprechende Bedürfnisse hat, sondern als ein Produktionsmittel, in das so lange investiert werden muss, bis es Ertrag in Form seines Todes bzw. der Produkte seines Körpers erbringt. Dabei gilt die ganz einfache wirtschaftliche Grundrechnung: Den Ertrag maximieren, die Kosten minimieren. Umso kürzer und beengter Tiere gehalten werden, desto weniger Futter braucht man zur Aufzucht und desto schneller erreichen sie das notwendige Schlachtgewicht. Je mehr Tiere in einen LKW gepfercht werden können, desto geringer sind die Transportkosten und umso mehr Tiere innerhalb kürzester Zeit hingerichtet werden, desto geringer die Kosten der Schlachtung. Das ist alles was zählt innerhalb des kapitalistischen, wachstumsorientierten Systems. Letztendlich mag man ein gewisses Mitleid mit den Tieren empfinden, doch man hält am System fest, in dem sich alle Beteiligten auf ihren Platz eingerichtet haben, von dem sie schreien, sie könnten doch nichts ändern. Dementsprechend trifft die Schuld alle gleichermaßen, die dafür sorgen, dass das System aufrechterhalten bleibt, ein System, das auf Nutzenmaximierung und Kostenminimierung aufgebaut ist und das tatsächlich ohne Rücksicht auf Verluste, ein menschengemachtes System, das die daran Beteiligten kaputt macht. Desto wahnwitziger scheint, dass alle daran festhalten, es beizubehalten. Der einzige Weg innerhalb des Systems ist vegan zu leben. Wenn keine tierlichen Produkte mehr nachgefragt werden, wird es sich nicht mehr rentieren, diese zu erzeugen und das Problem erledigt sich von selbst. Deshalb, wer ein Zeichen setzen möchte gegen Ausbeutung und Missbrauch, lebt vegan, ein Leben voller Love, Peace and Tofu.

Alle Videos und Fotos der Aufdeckungen finden sich auf https://vgt.at/projekte/aufdeckungen/index.php

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